Kennzahlen im Buchhandel - Kennen, Verstehen und Nutzen!

Flächenleistung, Lagerumschlag & Warenbestand

Ist ein hoher Umsatz wirklich nur mit möglichst viel Ware möglich?

Ohne Ware können Sie nichts verkaufen. Wenn Sie zu wenig Ware haben, erzielen Sie weniger Umsatz als möglich. Heißt das aber, dass mehr Ware auch automatisch mehr Umsatz bringt? In diesem Beitrag wollen wir uns die Kennzahlen „Flächenleistung“, „Lagerentwicklung“, „Warenbestand“ und insbesondere „Lagerumschlag“ anschauen.

Was kann Ihre Fläche „leisten“? Nun, ihre Fläche leistet nichts anderes, als dass Sie Ihnen Raum zur (möglichst ansprechenden) Präsentation Ihrer Ware bietet. Erst, wenn Sie die Fläche optimal nutzen, erzielen Sie den bestmöglichen Umsatz. Optimal bedeutet dabei, keine Fläche zu verschenken mit leeren Wänden und Flächen (freie Gänge sind natürlich ein Muss!) oder gar mit leeren Regalen! Auflockerung durch Dekoration tut dem Auge des Kunden gut, darf aber nur hier und da vorkommen; denn: Umsatz erzielen Sie damit nur indirekt. Kann es aber auch zu viel Ware sein? Ja, das kann es! Nämlich wenn man „das Sortiment vor lauter Büchern nicht mehr sieht“! Das passiert schneller, als Ihnen lieb ist: wer nur Buchrücken an Rücken präsentiert, jedes Regal füllt, so gut es nur geht, wer vor den Buchrücken gerne noch andere Bücher legt oder stapelt – oder die von Kunden dort abgelegten liegen lässt – der sorgt dafür, dass die Kunden viel weniger einzelne Artikel wahrnehmen können. Das betrifft dann sowohl die „gezielt Suchenden“, noch viel mehr aber die „Stöberer“ und die „nur mal Schauenden“. Denen können die einzelnen Produkte gar nicht mehr spontan „in’s Auge springen“, denn das Auge nimmt das einzelne Buch nicht mehr wahr, die Grenzen der Produkte verschwimmen, Spontankäufe werden seltener. Achten Sie also darauf, dass jeder Artikel nicht nur gesehen werden kann, also nicht hinter anderen liegt, sondern auch, dass er abgegrenzt ist zu anderen Büchern und Produkten. Meistens sehen Sie selbst auf einen Blick, ob in einer Buchhandlung zu viel Ware vorhanden ist. Von „präsentiert“ kann dann weniger die Rede sein.

Natürlich kann dies aber auch errechnet werden. Dazu gibt es verschiedene Hinweise. Zunächst einmal die „Flächenleistung“: sie zeigt an, wieviel Leistung, also Umsatz, jeder Quadratmeter (qm) Ihrer Verkaufsfläche im Durchschnitt erzielt. Dazu teilen Sie einfach Ihren Jahres- oder jeden anderen Periodenumsatz (netto, ohne Mehrwertsteuer)  durch die qm-Zahl Ihrer Verkaufsfläche (exklusive Büro, Sozialraum, Lageraum etc.). Wann ist diese Zahl gut? Das kommt, wie immer, auf viele Faktoren an: Ihre Lage, Ihre Kundenanzahl, deren Kaufkraft, die Preislage Ihres Sortiments, die Größe Ihres Ladens usw. Der Betriebsvergleichswert des Instituts für Handelsforschung (IfH) nennt hier einen Durchschnittswert von € 3.142,- (in 2011). Dieser Wert ist allerdings nicht als gut zu bezeichnen; es ist eben nur der Durchschnitt. Kleinere Läden bis 150 qm Verkaufsfläche erzielten durchschnittlich € 3.798,-, größere mit Flächen zwischen 601 und 1.500 qm erzielten mit € 2.638,- deutlich weniger. Prüfen Sie Ihre Flächenleistung mindestens einmal im Jahr, ggf. auch alle 4 Monate und stellen Sie einen Vorjahresvergleich an. Liegen Ihre Werte unter dem Durchschnitt, sollte Sie das beunruhigen! Sie nutzen dann Ihre Fläche zu schlecht aus. Alle umsatzsteigernden Maßnahmen wie passgenaue Beratung, effektive Ausschilderung, ansprechende Präsentation, zielgenaue Werbung, kreative Aktionen, Sonderplatzierungen etc. helfen zur Verbesserung auch dieser Kennzahl. Bleibt diese Kennzahl aber schwach, kann es auch an zu hohem Waren- bzw. Lagerbestand liegen. Ihr Laden wäre zu voll, die einzelnen Artikel könnten nicht wertvoll genug präsentiert werden.

Eine weitere Kennzahl gibt den nächsten Hinweis: die „Lagerentwicklung“. Sie zeigt an, wie sich Ihr Warenbestand gegenüber dem Vorjahr verändert hat. Mit „Lager“ ist ja gemeinhin der gesamte Warenbestand in Laden und Lager gemeint. Hierbei schauen Sie in Ihre Inventurwerte (vor Abwertung) und vergleichen die Zahlen vom aktuellen Jahr und vom Vorjahr. Es gilt: ist Ihre Lagerentwicklung positiv, also z. B. +5%, haben Sie am Jahresende mehr Ware als zu Beginn. Die Ware liegt also unverkauft da und ist evtl. einfach zu viel. Dies ist immer die Folge, wenn Sie im Einkauf optimistischer waren als sich Ihr Verkauf, also der Umsatz dann entwickelt hat. Achten Sie bei Ihren Einkaufsentscheidungen also auch immer auf die aktuelle Entwicklung Ihres Umsatzes. Kaufen Sie vorsichtig ein, wenn Ihr Umsatz sich schwächer entwickelt als geplant. In 2011 sank übrigens der durchschnittliche Warenbestand beim IfH-Betriebsvergleich um 1,5%, während der Umsatz um durchschnittlich 1,0%  zürückging.

Einen besseren Hinweis gibt noch der „Lagerumschlag“. Er gibt an, wie häufig im Jahr der gesamte (durchschnittliche) Warenbestand (also das „Lager“), vollständig abverkauft wird. Hier  gilt: je höher der Wert, umso besser. Zur Berechnung teilen Sie den Jahresumsatz (abzüglich Durchlauf- und Rechnungsumsatz) zu Netto-Verkaufspreisen durch Ihren durchschnittlichen Warenbestand. Dieser Bestand ist gleich Anfangsbestand plus Endbestand (jeweils Inventurwerte zu Netto-Verkaufspreisen) geteilt durch zwei. Der Betriebsvergleichs-Durchschnitt lag in 2011 bei 5,0. Liegen Sie hier nicht mindestens bei 5 bis 6 mal, ist Ihr Lagerumschlag zu langsam. Die durchschnittliche „Lagerdauer“ beläuft sich übrigens bei einem Umschlag von 6,0 genauf auf zwei Monate, also 60 Tage (12 Monate geteilt durch 6,0). Bei zu langen Lagerdauern haben Sie die Ware längst bezahlt, bevor Sie sie verkaufen. Sie müssen Sie also vorfinanzieren, was zu Lasten Ihrer Liquidität geht. Entweder zahlen Sie hier Kontokorrentzinsen oder es entgehen Ihnen Zinserträge – wenn gleich diese derzeit enttäuschend gering sind.
Ihr Lagerumschlag hängt auch wieder an allen Faktoren, die Ihren Umsatz beeinflussen. Einer davon ist wiederum eine zu große Menge an Waren.

Kommen wir zur letzten und eindeutigsten Kennzahl: dem „Warenbestand je qm Verkaufsfläche“. Hierzu teilen Sie Ihren durchschnittlichen Warenbestand durch die qm-Zahl Ihrer Verkaufsfläche. Diese Kennzahl gibt der Vergleich des IfH leider nicht an, aus anderen Kennzahlen zurückgerechnet lässt sich aber eine Kennzahl von knapp € 900,- errechnen. Der Betriebsvergleich „Religiöses Buch“ des KM. katholischermedienverband e.V., den die MDG jedes Jahr unter religiös ausgerichteten Sortimentern mit eher kleinen Flächen erhebt, kennt diesen Wert und kommt für 2012 auf rund € 850,- Warenwert je qm Verkaufsfläche. Nehmen Sie diesen Wert als Anhaltspunkt und prüfen Sie Ihren Wert sowie alle anderen Kennzahlen mindestens einmal im Jahr. Sind alle genannten Kennzahlen in Ihrem Laden schwach, versuchen Sie es mit einem Ausdünnen der Ware. Nehmen Sie alte Ware raus, remitieren oder verramschen Sie, und präsentieren Sie eine sinnvolle Warenmenge von rund € 850,- je qm Verkaufsfläche im Durchschnitt mit auflockernder Dekoration, weitgehend frontal, so dass das Auge des Kunden unwillkürlich und spontan an vielen schönen Büchern und Produkten hängen bleibt, die der Kunden dann unbedingt erwerben will – „kosten sie, was Sie wollen“… 

Die Werte der Kennzahlen aus den Betriebsvergleichen
des IfH (2011) und des KM. (2012) auf einen Blick

Flächenleistung                                            € 3.142 (IfH)
Lagerentwicklung                                          - 1,5% (IfH)
Lagerumschlag                                             5,0 mal (IfH)
Lagerdauer                                                  73 Tage (IfH)
Warenbestand                 € 850 je qm Verkaufsfläche (KM.)


Es ist also gar nicht so einfach, die optimale Warenmenge für sich heraus zu finden. Die genannten Kennzahlen allerdings helfen Ihnen dabei.

Ausblick: Im neunten Teil beschäftigen wir uns mit „Bar- und Rechnungsumsatz“, Durchlaufgeschäft und Internetumsätzen.