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Bibliothekskonzept für die Gemeindebücherei Velden


Ein Interview von "Treffpunkt Bücherei", dem Magazin des Sankt Michaelsbundes mit Georg Frericks, Dipl.-Theologe und Berater bei der MDG.

Treffpunkt Bücherei: Die MDG plant in enger Zusammenarbeit mit der Diözesanstelle München und Freising des Sankt Michaelsbundes die Entwicklung eines Bibliothekskonzepts für die Gemeindebücherei Velden/Vils. Als Basis dafür sollen die Sinus-Milieu-Daten dienen. Was versteht man eigentlich grundsätzlich unter "Sinus-Milieus"?

Georg Frericks: Seit gut 30 Jahren gibt es einen Zweig in der Sozialforschung, der sich Milieuforschung nennt und sich damit beschäftigt, wie man unsere Gesellschaft beschreiben kann, welche Lebenswelten in ihr vorherrschen, welche Gruppen Gleichgesinnter identifiziert werden können. Das Heidelberger Sozialforschungsinstitut SINUS gehört dabei zu den Vorreitern und legt immer wieder ein überarbeitetes Gesellschaftsmodell vor. Die darin von ihnen unterschiedenen, aktuell zehn Lebenswelten bezeichnet man eben als „Sinus-Milieus“.

Treffpunkt Bücherei: Velden an der Vils, was ist das für ein Ort und was ist das für eine Bücherei?

Georg Frericks: Die niederbayerische Marktgemeinde Velden hat wohl ca. 6.500 Einwohner mit einer Bücherei in gemeinsamer Trägerschaft von politischer Gemeinde und Pfarrei. Leider kenne ich bislang sowohl den Ort als auch seine Gemeindebücherei nur von der „Papierform“ bzw. dem Internet. Unser eigentliches Projekt wird im Oktober anlaufen und dann freue ich mich auf das Kennenlernen der Menschen und des Orts. Zur Einschätzung der Größenordnung der Bücherei sei vielleicht erwähnt, dass sie ca. 7.700 Medien vorhält und auf steigende Ausleihzahlen blicken kann, zuletzt um die 27.000 jährlich. Was ich im Rahmen des Beratungsprozesses spannend finde, ist die Diskussion mit dem Team, ob sie die erreichten 10 % der Bevölkerung als Büchereibenutzer noch für steigerungsfähig halten. Nach den vorliegenden Vergleichszahlen schwimmt Velden meiner Auffassung nach da im Mittelfeld.

Treffpunkt Bücherei: Wie muss man sich nun das Projekt vorstellen? Woher hat die MDG eigentlich die notwendigen Daten über die soziostrukturellen Milieus in Velden?

Georg Frericks: Ganz einfach: Das Bibliothekskonzept wird mit dem Büchereiteam gemeinsam erarbeitet werden. Dafür ist es natürlich notwendig, dass alle das Zielgruppenmodell der Sinus-Milieus erst einmal kennenlernen und wir den Lebens- und Sozialraum Velden in den Blick nehmen. Danach werden wir in einem gemeinsamen Workshop das Konzept erarbeiten, das eine doppelte Ausrichtung haben wird: den Menschen in Velden gerecht zu werden, aber auch dem Bildungsauftrag der Bücherei. Doch noch kurz zu den Zahlen für Velden: Der Kommune selbst liegen natürliche viele demografische und soziale Daten vor, mit denen sich der Sozialraum „Velden“ beschreiben lässt. Darüber hinaus gibt es aber eine Geomarketing-Firma, die mit Sinus kooperiert und die Anhaltspunkte über die Milieuverteilung in Velden liefert.

Treffpunkt Bücherei: Welche konkreten zeitlichen und inhaltlichen Schritte haben MDG und Sankt Michaelsbund geplant? Wie funktioniert die Abstimmung mit der Bücherei? Und wie intensiv sind die Träger der Bücherei, die Gemeinde und die Pfarrei eigentlich miteingebunden?

Georg Frericks: Wie ich schon sagte, soll dieses zielgruppenorientierte Bibliothekskonzept gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Büchereiteam und dem Sankt Michaelsbund erarbeitet werden. Und da müssen wir einfach einen Weg finden, dies so zu tun, dass das Engagement des Teams nicht überstrapaziert wird, sondern dass mit Freude an dem Projekt gearbeitet werden kann. Alle wichtigen Impulse und Weichenstellungen werden auf jeden Fall gemeinsam diskutiert, aber dann werden wir seitens der MDG Hausaufgaben mitnehmen, also Ausarbeitungen, die dann wieder mit dem Team abgestimmt werden. Bei unserem ersten Treffen im Oktober werden auch Vertreter der Träger mit dabei sein. Während des Prozesses wird die Büchereileiterin Sabine Haberzeth den Kontakt mit uns halten und die Träger informieren. Das fertige Konzept wird dann natürlich mit dem Träger verabschiedet.

Treffpunkt Bücherei: Wie wichtig ist bei dem ganzen Projekt die Beteiligung der ehrenamtlichen Büchereimitarbeiterinnen?

Georg Frericks: Superwichtig – und zwar im doppelten Sinn: Zum einen kennen diese ihre Gemeinde und ihre Arbeit und werden diese Erfahrungen einbringen, zum anderen sollten sie sich damit auch identifizieren können, um die entwickelten Ziele engagiert realisieren zu können.

Treffpunkt Bücherei: Wie genau kann man das Ziel des Projektes beschreiben?

Georg Frericks: Basierend auf der Realität der Gemeinde Velden und den Bedürfnissen und Lebenssituationen der dort lebenden Menschen soll das zu erarbeitende Konzept die Ausrichtung der Bücherei und ihren Dienst als Bildungsträger beschreiben und deren Arbeit zielorientiert und zielgruppenorientiert ausrichten. Natürlich werden wir auch erste Maßnahmen aus dieser Zielorientierung ableiten.

Treffpunkt Bücherei: Provokativ gefragt: Die MDG als Mediendienstleistungsgesellschaft der Katholischen Kirche hat zugegeben viel Erfahrung im gesamten Medienbereich, mit den Öffentlichen Bibliotheken hat sich die MDG aber bisher noch nicht so intensiv beschäftigt. Was ist das Reizvolle an der Erarbeitung eines Bibliothekskonzepts? Und worin lauern möglicherweise Fallstricke?

Georg Frericks: Dadurch, dass die beiden kirchlichen Büchereiverbände Sankt Michaelsbund und Borromäusverein schon lange zu unseren Beratungskunden gehören, ist uns diese Welt alles andere als fern. Die Idee für ein solches zielgruppenorientiertes Bibliothekskonzept wurde zusammen mit Stefan Eß, dem Direktor des Sankt Michaelsbundes, geboren. In sehr vielen Bereichen versuchen wir Produkte, Dienstleistungen und Kommunikation auf Menschen und ihre realen Bedürfnisse auszurichten. So lag der Transfer auf das Angebot einer Bücherei nahe.

Treffpunkt Bücherei: Eine letzte Frage: Was kostet die Büchereiträger dieses Pilotprojekt?

Georg Frericks: Die Zusammenarbeit mit Velden haben wir als Pilotprojekt definiert, dass über die MDG aus dem Treuhandfonds Medien der Bischofskonferenz finanziell unterstützt wird. Wir hoffen hier einen Prozess zur Erarbeitung von zielgruppenorientierten Bibliothekskonzepten zu entwickeln, der dann auch anderen interessierten Bücherei zu Gute kommen wird. Wir danken für dieses Gespräch und freuen uns schon jetzt auf die Berichte über den Fortgang dieses Projektes!

 

Quelle: Treffpunkt Bücherei, Heft 3 (2015)